Innovative Siedlungshygiene in Westafrika

(Text und Bilder Michael Steiner*, erschienen im Magazin "Umwelttechnik Schweiz März 05)

Bamako, die Hauptstadt Malis ist wie viele andere afrikanische Städte gekennzeichnet durch ungenügende Infrastrukturen im Bereich der Siedlungshygiene. Abwasserlachen und volle Regenwasserkanäle begleitet von Geruchsbelästigungen prägen das Stadtbild. Doch in mehreren Quartieren von Bamako hat sich die lokale Bevölkerung organisiert und ihr eigenes dezentrales Abwassersystem gebaut - mit Erfolg.

Einfache Latrinen und Faulgruben sind in Bamako die dominierenden Fäkalienentsorgungssysteme, wobei das Grauwasser (Wasch- und Duschabwasser ohne Fäkalien) über Regenwasserkanäle, überlaufende Sickergruben oder direkt über die Strasse abgeleitet wird (Bild 1). Die Folgen sind erhöhtes Risiko von wasserrelevanten Krankheiten, schwierig befahr- und begehbare Strassen und Geruchsbelästigungen. Undurchlässige Böden und ein hoher Grundwasserspiegel in der Nähe des Nigers, hohe Bevölkerungsdichte und eine verbesserte Trinkwasserversorgung führen dazu, dass die Abwasserentsorgung (insbesondere das Grauwasser) mit Hilfe von individuellen Versickerungsanlagen nicht mehr bewerkstelligt werden kann.

Bild 1 Abwasser im Zentrum von Bamako stellt ein Habitat für Krankheitserreger dar und beinträchtig wie hier im Regenwasserkanal die Oberflächenentwässerung in der Regenzeit. (Bamako 2002)


Kombinierte Entsorgung

Ein vereinfachtes Entwässerungssystem mit kleinem Durchmesser (100 – 160 mm), wie sie in mittlerweile vier Quartieren von Bamako zwischen 2000 und 2003 erstellt wurden, kann eine mögliche Alternative zu Sickergruben und zur sowohl finanziell als auch technisch unangepassten Schwemmkanalisation darstellen. Das vereinfachte, dezentrale Entwässerungssystem (oder SBS für Small Bore Sewer) beruht auf dem Prinzip, dass das Abwasser von wenigen Haushalten relativ feststofffrei durch kleine Leitungen in geringer Tiefe abgeführt wird. Hierfür besteht das SBS System in Bamako aus einer Waschfläche aus Beton, versehen mit einem kleinen Absetzbecken (rund 5 Liter), das mit einer PVC Röhre (100mm) an einen Schacht auf der Strasse angeschlossen ist (Bild 2). Mehrere Gitterstäbe vor dem Abwasserrohr sollen verhindern, dass Essensreste, Lappen und andere Abfälle zu Verstopfungen führen. Die Dusche, das heisst der Boden der traditionellen Latrine, wird ebenfalls mit einem Anschluss an einen Schacht versehen (Bild 3).

 

Bild 2 In der betonierten Waschfläche wird das Haushaltsabwasser über ein kleines Absetzbecken ins Leitungsnetz abgeleitet.

 

Bild 3 Traditionelle Latrine und Dusche. Das Duschwasser fliesst über die Leitung und einen Verbindungsschacht in die PVC Kanalisation entlang der Strasse.


Flexibles System


Im Gegensatz zu anderen Entwässerungssystemen wird das Schwarzwasser in Bamako nicht abgeleitet, da die Latrinen der Haushalte nicht verändert wurden. Der Abfluss von Faulgruben kann aber problemlos ans Netz angeschlossen werden, da er bei normalem Betrieb frei von groben Feststoffen ist. Die Abwasserrohre des eigentlichen Netzes (ebenfalls in den allermeisten Fällen PVC 100 mm) verlaufen entlang der Häuser und lediglich in einer Tiefe von rund 30 – 50 cm. Ein gemauerter Schacht mit Betondeckel ist bei jedem Anschluss und jeder Richtungsänderung eingebaut (Bild 4). Die Grösse eines einzelnen zusammenhängenden Systems ist sehr unterschiedlich und variiert von rund 15 bis 200 Haushalten (ein angeschlossenes Quartier mit jeweils rund 5'000 Bewohner umfasst mehrere einzelne Untersysteme). Alle Abläufe der Abwassersysteme führen unbehandelt in sogenannte Marigots (Bäche während der Regenzeit, Abwassersammler während der Trockenzeit) und schliesslich in den Niger.

Bild 4 Die volle Sickergrube wird durch das kommunale Abwassersystem ersetzt. Im Vordergrund der Bau eines Verbindungsschachtes.

Wirtschaftlich konkurrenzfähig

Die Abwassersysteme wurden von sogenannten GIE (groupement d’intérêt économique), lokale, im Quartier implementierte NGO, gebaut. Diese NGO entstanden ursprünglich auf Initiative der lokalen Bevölkerung hauptsächlich um den Haushaltsabfall einzusammeln um in die Lücke des Staates zu springen.
Doch nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in finanzieller und institutioneller Hinsicht sind die Abwassersysteme in Bamako bemerkenswert. So ist einerseits alles ohne irgendwelche internationale Geldgeber oder Konsulenten verwirklicht worden. Denn die Regierung unterstützte diese Projekte mit technischem Rat und vor allem mit der zur Verfügungsstellung von Mitteln für deren Bau. Zudem haben sich die angeschlossenen Hausbesitzer im voraus vertraglich verpflichtet, mittels monatlichen Raten die Investitionen zurückzuzahlen. Und andererseits kann das Abwassersystem mit Fr. 325 – 400 pro Anschluss (durchschnittlich 13 Personen) mit individuellen Sickergruben (Fr. 250 – 300) konkurrenzieren und ist finanziell für die Beneficiaries durchaus bezahlbar.
Angesichts der ersten verblüffenden Erfolge dieser Abwassernetze beabsichtigte die Regierung, in mehreren grösseren Städten von Mali dieses Abwassersystem zu implementieren und beauftragte hierfür die lokale Forschungsanstalt CREPA zu dessen Evaluation.


Verbesserungen sind möglich

Das in Bamako gebaute Abwassersystem mit kleinem Durchmesser ist technisch auf die spezifischen Probleme der Grauwasserentsorgung und die beschränkten Mittel angepasst. Allerdings ist das System konzeptionell und in der Ausführung in technischer, sozioökonomischer und institutioneller Hinsicht verbesserbar. Folgende Punkte sollten beachtet werden:


Behandlung wäre wichtig

Der wichtigste Punkt ist die vorzeitige Regelung des Unterhalts. So war der Unterhalt in Bamako weder organisatorisch noch finanziell geplant. Dies führte zu täglichen Überschwemmungen auf Grund von Verstopfungen (schlechte Ausführung, Abfälle) und zum rapiden Zerfall des Leitungssystem (fehlende oder zerstörte Schachtdeckel und lecke Leitungen). In Bamako würde sich besonders die Kombination der Abfallsammlung zusammen mit dem Unterhalt des Abwassersystems der GIE eignen. Denn die Abfallsammlung und die Abwasserentsorgung sind eng miteinander verbunden und die lokale GIE kann so als eigentlicher Entsorgungsbetrieb massgeblich zur Verbesserung der Lebensbedingungen im allgemeinen und der sanitären Situation im speziellen der Bevölkerung beitragen.

Wenn die gesammelten Abwässer in offene in der Stadt liegende bachähnliche Gerinne geleitet werden, verlagert sich das sanitäre Risiko (Parasiten, Krankheitserreger und Mückenhabitat) lediglich. Daher sollte der Abwasserstrom aus dem Siedlungsgebiet und bestenfalls sogar in eine einfache Behandlungsvorrichtung (Absetzbecken, Abwasserteiche, o. ä.) abgeleitet werden.

Bevölkerung beteiligen

Die Begünstigten müssen unbedingt vor der Implementierung mit einbezogen werden. Einerseits um die Bedürfnisse und die finanzielle Zumutbarkeit zu eruieren, und andererseits vor allem um zu informieren. So wussten in Bamako viele Bewohner nicht, wie ihr System benutzt bzw. unterhalten werden muss, und dass sie sich verpflichteten, ihren Anteil in monatlichen Raten zurück zu bezahlen.
Die Partizipation der Bewohner soll die Rückzahlungsquote, die in Bamako sehr tief ist, und die Benutzung des Systems verbessern. Vor allem soll verhindert werden, dass Haushaltsabfälle jeglicher Art (Essensreste, Schuhe, Petflaschen und Plastiktaschen, etc.) das Leitungsnetz täglich verstopfen. Auch soll verhindert werden, dass einzelne nicht angeschlossene Haushalte die Wirkung des Abwassernetzes beeinträchtigen.


Zukunftsperspektiven

Der grosse Vorteil des SBS Systems liegt in der Einfachheit und der Möglichkeit, das System an die lokalen Gegebenheiten anzupassen. So existieren in Nigeria, Zambia, Senegal, Brasilien und Mali ähnliche, auf dem Prinzip der feststoffarmen Abwässer beruhendem Prinzip mit unterschiedlicher Konzeption je nach sozioökonomischer und sanitärer Ausgangslage.
Das Abwassersystem mit kleinem Durchmesser wie es in Bamako implementiert wurde, zeigt auch noch nach drei Jahren Betrieb eine unglaubliche visuelle Wirkung (Bild 5). Ob der Impakt auch auf gesundheitlicher Ebene der Begünstigen statt findet, ist anzunehmen, kann hier aber nicht beantwortet werden.
Nichtsdestoweniger müssen folgende drei wichtige Bedingungen um eine nachhaltige Verbesserung der sanitären Situation mittels SBS zu erreichen, beachtet werden:

1. Angepasste Konzeption und fachgerechte Ausführung

2. Organisation und Finanzierung des Unterhalts

3. Ableitung der Abwässer aus dem Siedlungsgebiet

Das kostengünstige System stellt in diesem Fall eine wirkliche Alternative zur individuellen Abwasserentsorgung im städtischen Raum dar und verdient es, bei den Abwasserfachleuten sowie in der Forschung besser bekannt zu werden.

Bild 5 Die Strasse 4 im Quartier Banconi vor dem Bau (links, 2000) und nach dem Bau (recht, 2002) des Kanalisationssystems mit kleinem Durchmesser. Die Strasse war durch das abfliessende Abwasser nicht mehr befahrbar.
 

 

* Michael Steiner, 1975, Umwelting. EPFL. Kontakt: info@point-d-eau.ch

Der vorliegende Artikel enstand auf Grund der Diplomarbeit an der ETH Lausanne des Autors im Jahr 2002. Die Diplomarbeit evaluierte 3 denzentrale Abwassernetze in Bamako. Zudem reiste der Autor nach Rufisque (Dakar), um das dortige SBS System zu besichtigen. Die vollständige Diplomarbeit mit technischer, institutionneller und sozioökonomischer Evaluation der verschiedenen Systeme kann hier runtergeladen werden (in französisch).

 


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